Kulturfritzen-Top 10: Die beliebtesten Episoden des Berlin-Kultur-Podcasts 2020

Seit Mai 2020 gibt es den Kulturfritzen-Podcast, meinen wöchentlichen Berlin-Kultur-Podcast.

Jeden Sonntag erscheint eine Folge als kleines Mosaiksteinchen im großen kulturellen Ganzen der Stadt, keine Episode gleicht der anderen, einige sind ganz kurz, andere länger, von Berlinbuch-Vorstellungen über Kulturspaziergänge und Hörspiele bis hin zu Lesungen, Features, Reportagen und Interviews. 35 Folgen sind bislang erschienen, die allesamt auf gute Resonanz stießen.

Die zehn meistgehörten Episoden des Jahres 2020 habe ich hier noch einmal zusammengestellt, was nicht bedeutet, dass man die anderen 25 nicht auch noch einmal nachhören darf. 🙂


Platz 10
Liebeserklärung an Prenzlauer Berg (#3)

Auf Platz 10 ist meine Liebeserklärung an Prenzlauer Berg gelandet. Sie beginnt im Friedrichshain, hat mit Ernst Thälmann zu tun, dem fibelhaft verehrten Helden jedes Lesen lernenden DDR-Kindes, mehr noch jedoch mit dem nach ihm benannten Wohnpark, der 1986 eingeweiht wurde. (Zum Anhören auf das Bild klicken.)


Platz 9
Irmgard Keun – die kunstseidene Berlinerin (#30)

Mit ihren ersten beiden Romanen, Gilgi, eine von uns und Das kunstseidene Mädchen, sorgte die junge Schriftstellerin Irmgard Keun (1905–1982) in der untergehenden Weimarer Republik für Furore. Die Nationalsozialisten verboten ihre Bücher und vertrieben sie ins Exil, wo sie weitere Romane publizierte. Die Kriegsjahre verbrachte die unerwünschte Autorin weitestgehend unerkannt im Deutschen Reich. Nach dem Krieg geriet Keuns Werk in Vergessenheit, im Zuge der aufkommenden Frauenbewegung wurden ihre Bücher wenige Jahre vor ihrem Tod wiederentdeckt. Über die vielfach unterschätzte Schriftstellerin unterhalte ich mich mit Michael Bienert, der in seinem aktuellen Buch Das kunstseidene Berlin das Leben Irmgard Keuns durchleuchtet und jene Berliner Schauplätze vorstellt, die in ihrem Leben und ihrem Werk eine Rolle spielen. (Zum Anhören auf das Bild klicken.)


Platz 8
Valeska Gert – die skandalöse Tänzerin (#29)

Die 1892 geborene Valeska Gert war die wildeste Nummer im Berlin der Zwanziger-Jahre. Die Tänzerin, Kabarettistin und Schauspielerin erregte vor allem durch ihre grotesken Tanzpantomimen, die in der Frühzeit des modernen Tanzes in ihrer Radikalität einzigartig waren, überregionale Aufmerksamkeit. Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten verblasste ihr Ruhm. Im Exil konnte sie an ihre Berliner Erfolge nicht anknüpfen, das Westberlin der Nachkriegszeit zeigte kein Interesse an ihr. Filmregisseure wie Fellini, Fassbinder und Schlöndorff besetzten sie gelegentlich als exzentrische Alte, 1978 starb sie vereinsamt auf Sylt.
In 20 Minuten beleuchte ich das Leben der außergewöhnlichen Künstlerin, deren Bedeutung für die Entwicklung der Performance-Kunst, des modernen Tanzes und der zeitgenössischen Musik seit einigen Jahren auch wissenschaftlich aufgearbeitet wird. (Zum Anhören auf das Bild klicken.)


Platz 7
Die Mietskaserne (Walter Benjamin) (#20)


Der Kulturkritiker Walter Benjamin (1892 – 1940) hat die Geschichte der Berliner Mietskasernen Anfang der 1930er-Jahre in einer Radiosendung für Kinder und Jugendliche vorgestellt. Er erzählt, warum die Wohngebäude mit ihren bis zu sechs Hinterhöfen Kasernen genannt werden, was 1862 beim „Bebauungsplan der Umgebungen Berlins“ schiefgelaufen ist und weshalb der moderne Wohnungsbau der 1920er-Jahre die Wohnverhältnisse in Mietskasernen als unzeitgemäß verurteilte. (Zum Anhören auf das Bild klicken.)


Platz 6
Berlinbuch-Tipp: Das kunstseidene Mädchen (#2)

Ein fast aus Versehen geklauter Pelzmantel katapultiert Doris, die ihr Leben als schlecht bezahlte Angestellte in einer rheinischen Provinzstadt fristet, in die Weltmetropole Berlin. In der großen Stadt, die vornehm ist mit hochprozentigem Licht und ganz übermäßiger Lichtreklame, will die junge Frau ihren Traum von Liebe, Luxus und Karriere verwirklichen: Ein Glanz möchte sie werden. Und irrt durch die Straßen und irrt sich in den Männern, die ihren Weg kreuzen, um letztlich mit ihrem geklauten Pelzmantel auf einem Koffer am Bahnhof Friedrichstraße zu sitzen und festzustellen, daß es auf den Glanz vielleicht gar nicht so ankommt.
Irmgard Keun hat weit mehr als einen trivialen Unterhaltungsroman geschrieben, in dem ein naives Mädchen aus der Provinz in der Großstadt einen Millionär sucht. Man ist leicht versucht, Doris‘ Geschichte auf ihre Männerbekanntschaften zu reduzieren; mit ihrer ahnungslosen Blauäugigkeit dokumentiert Doris jedoch unverstellt die politischen Zustände der untergehenden Weimarer Republik: Sie berichtet von technischen Errungenschaften und immenser Arbeitslosigkeit, von Prostitution und Obdachlosigkeit, von Antisemitismus und dem Erstarken der Nationalsozialisten, von prekärem Künstlerdasein und vom Tanz auf dem Vulkan. Es verwundert nicht, dass der Roman 1933 als „Asphaltliteratur mit antideutscher Tendenz“ umgehend beschlagnahmt und verboten wurde. Die arbeitsscheue Doris, die ihr Leben als Film begreift und lieber eine Hure werden würde, als sich noch einmal an eine Schreibmaschine zu setzen, ist nicht der Typ Frau, der im Nationalsozialismus seinen Platz hätte finden können. (Zum Anhören auf das Bild klicken.)


Platz 5
Das Mies van der Rohe Haus (#8)

1932/33 entstand in Alt-Hohenschönhausen das letzte Wohnhaus, das der Architekt Mies van der Rohe in Deutschland errichtete, bevor er in die USA emigrierte. Das Haus Lemke, ein Backsteinflachbau mit großen Fensterfronten, hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich und ist heute Architekturdenkmal und Ausstellungsraum. Ich konnte mit Dr. Wita Noack sprechen. Sie stellt die Philosophie des berühmten Baumeisters vor, bietet einen Überblick über das Berliner Schaffen Mies van der Rohes und erläutert ihr auf die Architektur des Hauses Lemke abgestimmtes kuratorisches Konzept. (Zum Anhören auf das Bild klicken.)


Platz 4
25 Jahre Querverlag
(#16)

Im August 1995 gründeten Ilona Bubeck und Jim Baker in Berlin den ersten und bis heute einzigen lesbisch-schwulen Buchverlag Deutschlands. Ich gratuliere zum 25. Geburtstag und frage die Beiden, welche Reaktionen die Verlagsgründung hervorrief, wie sich der Verlag in der LGBTIQ+Community verortet, wie sich das Programm im Laufe eines Vierteljahrhunderts verändert hat und was sich Ilona und Jim für die Zukunft wünschen. (Zum Anhören auf das Bild klicken.)


Platz 3
Im Gespräch mit Manfred Maurenbrecher (#1)

Auf Platz drei ist die allererste Podcast-Folge gelandet, in der ich mich mit dem Autor und Liedermacher Manfred Maurenbrecher unterhalte: Über Berlin als Heimat, Hans Henny Jahnn, Marxismus, wankelmütige Kolleginnen, Brandenburg als literarisches Sujet, sein neues Buch „Grünmantel“, sein aktuelles Album „Inneres Ausland“ und über härter werdende Zeiten. (Zum Anhören auf das Bild klicken.)


Platz 2
Im Gespräch mit Rainer Fetting (#24)

Ein Gespräch mit dem wunderbaren Künstler Rainer Fetting: Über Fettings künstlerisches Schaffen, über das wilde Berlin der 70er- und 80er-Jahre, über schwule Ästhetik, Homophobie im Kunstbetrieb, über Fettings Verehrung für Willy Brandt, über einen scheuen Helmut Schmidt und über die Ausstellung „Gezeichnete Stadt“, die in der Berlinischen Galerie zu sehen war. (Zum Anhören auf das Bild klicken.)


Platz 1
E.T.A. Hoffmann und sein Berlin (#10)

Spitzenreiter der meistgehörten Kulturfritzen-Podcast-Folgen 2020 ist die Episode, in der ich mich mit dem Schauspieler und Rezitator Hans-Jürgen Schatz über die Berliner Jahre des Autors, Komponisten und Karikaturisten E.T.A. Hoffmann (1776-1822) unterhalte. Eine Zeitreise in das Berlin vor 200 Jahren. Dreimal hat E.T.A. Hoffmann versucht, in Berlin sesshaft zu werden, erst beim letzten Mal ist es ihm geglückt. Er bezog eine Wohnung am Gendarmenmarkt mit Blick auf das Königliche Nationaltheater, in dem 1816 seine Oper „Undine“ uraufgeführt wurde. Der Gendarmenmarkt spielt in Hoffmanns letzter Erzählung „Des Vetters Eckfenster“ eine zentrale Rolle, zahlreiche weitere seiner Geschichten sind an konkreten Berliner Schauplätzen verortet. Hans-Jürgen Schatz stellt einige der Geschichten vor, beschreibt das Berlin um 1820 und beleuchtet zudem, wie gut Hoffmann in den letzten und kreativsten Jahren seines Lebens in der Berliner Kulturszene vernetzt war. (Zum Anhören auf das Bild klicken.)


Auch 2021 soll es jeden Sonntag eine neue Episode geben.
Ich freu mich darauf.


Die Kulturfritzen – Der Kultur-Podcast aus Berlin ist unter anderem zu hören:


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